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Schatztruhe

Hintergrundinformationen

gelöschte Szenen Aiden- der Herzog

Der Herold öffnete leise die riesige Tür zum Thronsaal. Und obwohl er den Anblick gewöhnt war, blendete ihn all das Gold, Geschmeide, Samt und Seide, die polierten Waffen, der Schmuck und die silbernen Bestecke.

Die zwei Wachen hinter der Tür nickten ihm wortlos zu und ließen ihn passieren. Eilig schritt er auf dem dicken, weichen, roten Teppich durch die unbeschreibliche Pracht auf den erhöhten Thron zu. Wie erwartet war der Platz leer. Ein schwerer samtroter Umhang mit vergoldeter Borde war achtlos über die prunkvollen Verzierungen des Sitzplatzes geworfen worden. Die Leibeigenen rechts und links vom Thron starrten teilnahmslos gerade aus und wirkten ein wenig desorientiert. Der Herold erkannte an jedem Hals zwei kleine blutige Flecke. Seufzend wandte er sich vor einer der riesigen Säulen nach rechts. Aus den verwirrten Menschen hätte er sowieso kein klares Wort herausbekommen. Der Herzog schien ziemlich schlechte Laune zu haben. Sonst wäre er nicht so sorglos im Umgang mit seinem Inventar. Sobald die Nachricht überbracht war, würde der Herold sich darum kümmern müssen, dass niemand die beiden Leibeigenen zu Gesicht bekam, bis sie wieder halbwegs vorzeigbar waren. Verärgert wischte er den Gedanken bei Seite und eilte auf einem schmalen Pfad zwischen ausgestopften Tieren und übergroßen Rüstungen hindurch. Er beugte sich unter einer Lanze hinweg, die von einer Reiterstatue gehalten wurde und bog erneut rechts ab.

Hier waren die Statuen, Rüstungen und ausgestopften Tiere achtlos beiseite geräumt worden und bildete nun bis auf den Druchschlupf, den der Herold benutzt hatte, eine unüberwindbare Wand. In der Mitte des freigeräumten Platzes stand ein einfacher Holztisch, auf dem sich allerlei Papiere wild stapelten. Wie erwartet stand der Herzog über den Holztisch gebeugt und studierte die Karte, die sich zuunterst auf dem Tisch befand. Dabei schob er immer wieder die Papiere hin und her, um die betreffende Stelle betrachten zu können. Sein beleibte Körper wogte mal hierhin und mal dorthin und wedelte Blätter vom Tisch. Dabei grummelte der Herzog mürrisch vor sich hin. Schließlich zog er eine kleine Figur von der Karte und feuerte sie in die Weiten des Schatzsaales. Der Herold würde sich wohl alsbald auf die Suche nach der weggeworfenen Figurine machen müssen. Wenn er es richtig gesehen hatte, war es das Symbol für eine Burg des Herzogs gewesen. Seufzend versuchte er sich einzuprägen, wo die kleine Burg in dem Chaos aus Schätzen auf eine Oberfläche aufgetroffen und abgeprallt war.

Durch die gebeugte Körperhaltung wirkte der Herzog noch kleiner, als er wirklich war. Die schwere Kette um seinen Hals mit den Insignien der Sarimsakis klapperte gelegentlich gegen die Tischkante, wenn er wieder eines der kleinen roten Fähnchen verschob, es zurücknahm und neu platzierte.
Der Herold räusperte sich und trat näher. So konnte er einen Blick auf die Karte werfen, die der Herzog anstarrte, als wollte er, dass sie sich in Rauch auflöste. Der Herold kannte die Karte zur Genüge. Die Burg des Herzogs war das Mittelpunkt. Hier hatte der Herzog einen kleinen roten hölzernen Turm platziert. Der markierte das Heer der Sarimsakis, dass sich zurzeit auf der Burg befand. Der Herold dachte an die vielen Soldaten, die nur wenige Meter unter ihnen im Hof ihre Übungen absolvierten. Dann schweiften seine Gedanken zu den anderen Soldaten, den Menschen, die vor den Toren der Burg ihr Lager aufgeschlagen hatten. Zusammen waren sie eine riesige Armee. Der Herzog hatte zwar noch keinen Krieg ausgerufen, aber selbst unter den Menschen machten sich Gerüchte breit, dass eine große Schlacht bevorstand. So zogen sie in die Nähe der vermeintlich sicheren Burg. Dem Herzog war dies ganz recht, so konnte er sicher sein, dass seine Soldaten versorgt waren.

Der Herold erkundete weiter mit den Augen die Karte, da sich der Herzog noch nicht dazu herab ließ ihn zu bemerken. Sie zeigte die Grenzen des Reiches, sowie die umliegenden Örtlichkeiten. Das Reich der Imisarunu grenzte im Südwesten an das Herzogtum. Hier hatte der Herzog einige kleine blaue Fähnchen platziert, wo er Truppen der Feinde vermutete. Nördlich davon erstreckte sich ein breiter Streifen Niemandsland. Eine Schutzzone ohne Einfluss von Geweihten. Ausgehandelt vor hunderten von Jahren zwischen den Sarimsakis, den Silubra und den Imisarunu. Der Herzog hatte damals dem Handel nur zähneknirschend zugestimmt. Auch wenn er das Land gerne annektiert hätte. Gegen den Willen des eigenen Oberhauptes zu verstoßen war Verrat. Und der Herzog war damals noch nicht so mächtig gewesen sich gegen Connor zu erheben und sich zum Oberhaupt der Sarimsakis zu machen. 

Seitdem tat der Herzog alles dafür, die menschlichen Grundeigentümer aus der Schutzzone zu vertreiben und zu vernichten, so dass er heimlich das Land zu seinem machen konnte. Wenn die anderen Sippen wüssten, wie weit dieser Plan bereits fortgeschritten war würden sie mit Sicherheit eingreifen. Der Herold grinste. Es war ein teuflischer Plan, die menschlichen Vasallen in einen Krieg reiten zu lassen, der für sie tödlich sein würde. Und er funktionierte.

Mit einem Stirnrunzeln blickte der Herold weiter auf den nordwestlichen Teil der Karte. Hier war das Reich der Silubra. Leana und ihr Volk waren die schlimmsten Feinde des Herzogs. Sie versuchten seine Pläne zu durchkreuzen, wo es nur ging. Der Herold erkannte einige neue grüne Fähnchen in dem Gebiet der Silubra. Die Späher des Herzogs hatten wohl gute Arbeit geleistet. Zumindest in diesem Punkt. Der Herold dachte wieder an sein Anliegen und räusperte sich noch einmal. Diesmal reagierte der Herzog.

„Neuigkeiten?“, brummte er und spielte achtlos mit dem roten Fähnchen in seiner Hand.

Der Herold nickte nur, obwohl der Herzog nicht von der Karte aufsah. Als der Herold weiter schwieg, blickte der Herzog endlich hoch. Die breite Kette ruhte nun auf dem dicken Bauch. Der rote Stein in der Mitte des Schmuckstücks sprang jedem sofort ins Auge.

Eilig verbeugte sich der Herold gebührend vor seinem Herren. Dabei rutschte seine eigene Halskette aus dem Hemd. Der Anhänger war um einiges kleiner und der rote Stein im Vergleich zu dem des Herzogs winzig. Eifrig stopfte der Herold das Kreuz mit der Schlaufe wieder unter sein Hemd. Der Herzog zog die Augenbrauen hoch.

„Nun? Was gibt es Neues? Habt ihr den Boten gefunden?“

Unbehaglich wandte sich der Herold zum Herzog.

„Wir glauben, dass er noch lebt. Allerdings konnten wir seine Spur nicht weiter verfolgen, nachdem er von den Imisarunu angegriffen worden ist.“

Der Herzog pfefferte das Fähnchen auf den Tisch.

„Wie konnte er in die Fänge der Imisarunu gelangen? Was hat sie auf ihn aufmerksam gemacht?“

Der Herold zuckte mit den Schultern.

„Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass sie ihn seit seinem Treffen mit dem Händler verfolgt haben. Als wir seine Spur verloren, war Iwan höchstpersönlich hinter ihm her.“

Der Herzog runzelte die Stirn.

„Das Oberhaupt der Imisarunu folgt einem meiner menschlichen Boten? Wo habt ihr ihn verloren?“

Mit einer bittenden Geste trat der Herold näher und beugte sich über die Karte. Er suchte den Standort des Händlers am unteren rechten Ende der Karte und tippte schließlich auf einen Punkt direkt neben einem roten Fähnchen. Dann folgte er mit dem Finger den eingezeichnet Weg entlang, bis dieser sich gabelte.

„Bis hier hin lief alles wie geplant und gehofft. Gregorius konnte den Edelstein in Empfang nehmen und machte sich sofort auf den Rückweg, wie Ihr ihn angewiesen habt. Doch hier kam er von seinem Weg ab.“
Statt der Linie weiter in Richtung des Herzogtums zu folgen, zog der Herold seinen Finger nach Westen. Auf der Abbildung von vielen angedeuteten Bäumen, die einen Wald darstellten, hob er den Finger schließlich von der Karte.

„Hier ungefähr ist Gregorius dann endgültig verschwunden.“

Der Herzog besah sich den Punkt. Nördlich davon konnte er vereinzelte grüne Fähnchen sehen. Außenposten der Silubra.

Doch westlich von der besagten Stelle, direkt am Rand des Waldes war ein großes blaues Fähnchen platziert. Eine Burg der Imisarunu. Der Herzog fluchte.

„Sie haben ihn auf das Land der Imisarunu abgelenkt, um ihn dort töten zu können.“

Der Herold nickte.

„So sieht es aus.“

Der Herzog starrte angestrengt auf die Karte.

„Wie kommst du also darauf, dass der Bote noch nicht tot ist?“

Der Herold atmete einmal tief durch.

„Meine Späher haben sich weit in das Gebiet der Imisarunu geschlagen und sind auf einer kleinen Lichtung auf den Schauplatz eines Überfalls geraten. Wir konnten die Überreste von zwei Imisarunu finden und ein totes Pferd. Keine Spur von Gregorius oder dem Stein.“

Der Herzog nickte und zog eines der roten Fähnchen auf einen anderen Standort. Der Herold betrachtete ihn schweigend.

„Wir müssen ihn finden. Er muss uns den Stein bringen. Ohne diesen Edelstein geht mein Plan nicht auf.“

Der Herold konnte die unterdrückte Wut und Ungeduld in der Stimme des Herzogs förmlich spüren. Der Druck eines nahenden Gewittersturms machte sich in seinem Kopf breit.

„Wir werden ihn finden und euch den Stein sicher bringen, mein Herr.“

Mit einer tiefen Verbeugung wollte sich der Herold verabschieden, doch der Herzog sprach weiter.

„Es steht viel auf dem Spiel. Wir müssen diesen verdammten Krieg gewinnen. Ich will die Imisarunu und Silubra von dieser Karte tilgen. Wenn sie von dem Stein wissen, werden sie alles unternehmen, um uns aufzuhalten.“

Der Herold nickte schweigend und lauschte weiter den Worten des Herzogs. Der Druck in seinem Kopf verstärkte sich.

„Aber wir lassen uns nicht aufhalten. Weder die Silubra noch die Imisarunu verstehen, was die Menschen wirklich sind. Nahrung. Nichts als Nahrung. Die Silubra mit der verrückten Idee eines Miteinander mit unserem Nutzvieh und die Imisarunu mit dem Wunsch den Frieden zwischen den Stämmen der Geweihten. Die sind doch völlig verrückt. Sehen sie denn nicht, wie viel besser wir sind? Wie viel mächtiger? Hat das Alter den Verstand von Iwan und Leana getrübt? Diese beiden Oberhäupter der Imisarunu und der Silubra sind doch komplett durchgeknallt, wenn sie denken, dass ein friedliches Miteinander der einzige Weg ist. Macht ist der einzige Weg. Und genug Land, um das Vieh ordentlich zu mästen. Deswegen müssen sie von dieser Karte verschwinden.“

Mit einem wütenden Wisch fegte der Herzog alle Fähnchen und übrig gebliebenen Papiere von der Karte. Urplötzlich verschwand der Druck im Kopf des Herolds. Mit einem leisen Seufzen der Erleichterung neigte er den Kopf ein wenig tiefer. Der Herzog hatte wirklich keinen Grund zu guter Laune. Und wenn er dann in den Verstand seiner Untertanen donnerte war das wahrlich unangenehm. Doch der Herzog sprach weiter.

„Nur mit diesem verfluchten Edelstein kann ich genug Verdammte zeugen, um die Übermacht der beiden Sippen zu brechen. Ich brauche Kanonenfutter. Und dieser Edelstein wird es ermöglichen. Also findet diesen Boten und den Stein!“

Der Herold nickte wieder schweigend. Unsicher, ob er sich nun verabschieden durfte. Zwei Diener wuselten indessen herbei und glaubten die kleinen Fähnchen vom Boden und aus den Schätzen, die sie umgaben. Ihre Narben am Hals waren schon beinahe verblasst. Vieh, dass die Zusammenkunft mit ihrem Herrscher überlebt hatte. Der Herzog sprach weiter.

„Was für ein Chaos. Ich hatte gehofft, dass Gregorius wie alle Boten unerkannt durch die fremden Gebiete gelangen könnte. Ich wüsste zu gerne, was ihn verraten hat. Jetzt müssen wir zusehen, wie wir den Stein ohne Aufsehen rausgeschmuggelt bekommen. Findet ihn!“

Den letzten Satz brummte der Herzog in einem erschreckend lauten, polternden Ton. Dann wandte er sich noch einmal zum Herold.

„Sobald Aiden und Ronan eintreffen, sollen sie mir Bericht erstatten. Nur mir. Verstanden? Und auf dem Weg nach draußen könnt Ihr der Küche Bescheid geben, dass ich hungrig bin.“

Der Herold verbeugte sich tief und marschierte schnellstmöglich aus dem Thronsaal.

Der Herzog warf noch eine frustrierten Blick auf die Karte. Dann stieg er über die Diener, die auf dem Boden die Fähnchen aufhoben, hinweg und schlenderte zu seinem Thron. Kaum hatte er Platz genommen, als die breite Tür zum Thronsaal aufging und zwei Soldaten ein paar verängstigte Menschen herein trieben. Schweigend betrachtete der Herzog die abgerissenen Gestalten. Drei Männer und zwei Frauen. Nach der Kleidung zu urteilen Bauernvolk. Ungebildet, ungewaschen, verängstigt aber gut genährt. Er zeigte auf zwei Menschen und nickte dem Soldanten zu.

„Die beiden bleiben hier. Die anderen könnt ihr in ihre Unterkünfte bringen.“
Der Soldat nickte wortlos und trieb die Anderen durch eine kleine Tür an der Seite des Saals.

Der Herzog beobachte die beiden Menschen eine Weile schweigend. Die Bauern fühlten sich sichtlich unwohl. Sie hatten keine Ahnung was um sie herum geschah.

Der Herzog erhob sich und schritt auf die beiden zu. Diese verneigten sich tief und verharrten in dieser unterwürfigen Haltung.

Es ist zu einfach. 

Seufzend positionierte der Herzog sich vor der linken Gestalt. Er konnte sehen, wie sehr die Frau vor Angst zitterte. Er tätschelte kurz ihr Haupt. Dann schritt er nach rechts zu dem Mann. Dieser starrte stur nach unten auf seine Füße. Der Herzog fuhr mit dem Finger unter sein Kinn und zwang den Mann ihn anzusehen. Neugierig betrachtete er das Gesicht. Er konnte so etwas wie Zorn und Trotz in den Augen erkennen. Der Herzog nickte lächelnd.

„Ihr gehört ganz zweifellos zum Gefolge von Gregorius.“

Der Mann richtete sich auf und gab mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass der Herzog richtig lag.

„Und Ihr, Herzog, tut Unrecht, die Ländereien unseres Herren zu konfiszieren und seine Untergebene zu verschleppen. Ihr werdet einen Krieg heraufbeschwören mit Eurem Handeln. Unser Herr Gregorius wird sich diese Behandlung nicht gefallen lassen.“

Der Herzog grinste breiter.

„Es freut mich zu hören, dass ihr eurem Landesherren so treu ergeben seid. Doch wo ist denn euer Herr? Er ist einer meiner Diener. Er ist in meinem Auftrag unterwegs. Nicht mehr und nicht weniger. Und er macht seine Sache nicht besonders gut. Also habe ich alles Recht, eine Entschädigung von ihm zu verlangen.“

Der Mann richtete sich noch weiter auf und blickte nun ohne Zurückhaltung den Herzog an.

„Das mag sein. Trotzdem ist es Diebstahl dieses Pfand zu verlangen, ohne dass der Herr da ist.“

Der Herzog schnaubte gelangweilt.

„Was will den euer Herr dagegen tun. Selbst wenn er jetzt hier vor uns stehen würde.“

Mit einem schnellen Schritt trat der Herzog wieder vor die noch immer knienden Frau. Unwirsch zog er die zitternde Frau nach oben. Bevor sie verstand was geschah, hatte der Herzog schon seine Fänge in den Hals der Frau versenkt und trank in großen Zügen das herrlich saure Blut der zum Tode geweihten. Dabei betrachtete er den Mann, der kreidebleich geworden war und vor Schrecken erstarrte. Das Bild, dass sich dem Menschen bot, hatte jeden Gedanken in ihm ausgelöscht. Jeder Fluchtreflex war von der Angst weggespült worden. Der Herzog hatte das schon bei vielen Menschen gesehen. Mit einem Schmatzen ließ er von der toten Frau ab und ließ sie achtlos fallen. Dann wandte er sich dem Mann zu. Kurz spielte er mit dem Gedanken, ihn aus seiner Starre zu lösen, doch je länger er darüber nachdachte, umso mehr langweilte es ihn, den Mann durch den geschlossenen Raum zu jagen. Daher ließ er einfach noch einmal seine Zähne aufblitzen und versenkte sie im Hals des Mannes. Als seine Zähne die zarte Haut durchstießen, regte sich etwas wie Widerstand in dem Mann. Doch ein paar große Schlucke und der letzte Wille zu überleben verließen auch ihn. Satt ließ der Herzog schließlich auch von diesem Menschen ab und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

„Glaubt mir, dieser Tod war um einiges schneller und schmerzloser als den, den ich für eure Freunde und Familien geplant habe.“